Was sagen Fachleute

1. Unabhängiges Gutachten zur Untersuchung des EO-Unglücks im spanischen Tarragona kommt zu eindeutigen Empfehlungen

Nach dem von der katalanischen Regierung in Auftrag gegebenen Gutachten zum EO-Unglück im spanischen Tarragona wurden allein in einem Korridor vom Explosionsort in einer Entfernung von ca. 400 bis 500 Metern etwa 40 bis zu 200 kg schwere Trümmerteile nachgewiesen. Dabei ist zu erwähnen, dass wegen der Grundbesitzverhältnisse nur 25 % der Fläche bei der Untersuchung zugänglich waren. Wie Videoaufnahmen des Unglücks zeigen, war der tatsächliche Einschlag von Trümmerteilen insgesamt noch höher. Auf Basis des Gutachtens hat die katalanische Regierung im Februar 2021 einem Expertengremium für Anlagensicherheit der EU-Kommission (der Seveso Expert Group) u.a. folgende präventive Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz empfohlen:

a) Ein Sicherheitsabstand von mindestens 500 m; nur 500 m werden als nicht ausreichend erachtet

b) Die Nähe zu empfindlichen Einrichtungen soll vermieden werden (zum Beispiel Schulen).


Das Gutachten und die Präsentation sind über folgende Links abrufbar:
https://circabc.europa.eu/sd/a/7d3844f6-7d9a-40b0-93cc-d8cc6e367c82/2.2%20-%20IQOXE%20accident%202020%20-%20Seveso%20gropu%2020210216.pdf?fbclid=IwAR0qTFDXKlnm9ub9BL3nbUYkBMeCKOFkqM_gDhSrY-mQVSVFP6x-MRgyO0I

https://govern.cat/govern/docs/2020/11/03/14/22/dfe03039-741d-4c8c-8241-68b64916bcc6.pdf

 

2. Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages bestätigt Gefahren für Anwohner durch die Produktion von Ethylenoxid

Ein von Alexander Neu (MdB) in Auftrag gegebenes Gutachten bei den wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages bestätigt das Gefahrenpotenzial für die Anwohner in der Umgebung von Ethylenoxid (EO) Betrieben.

Das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages benennt zwei Gefahrenbereiche:

1) Die Gefahr von unvorhergesehenen Unfällen zum Beispiel durch Explosion oder sogenannte "Dennoch-Störfälle".

2) Dauerhafte Emission von EO mit daraus resultierenden erhöhten Krebsraten in der Umgebung.

Das Gutachten berichtet unter anderem von Untersuchungen im Umfeld von EO-Anlagen. Diese bestätigen, dass eine erhöhte Exposition von Ethylenoxid in die angrenzende Atmosphäre zu erhöhten Krebsfällen in der Bevölkerung führt. Eine Ableitung sinnvoller Grenzwerte lassen sich auf Grund der Datenlage zurzeit noch nicht bestimmen. Dies kann nur im Rahmen langfristig angelegter Studien untersucht werden.

Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebieten sowie auf sonstigen schutzbedürftigen Regionen so weit wie möglich vermieden werden müssen. Die von der Bürgerinitiative gegen Ethylenoxid e.V. und der lokalen Politik geäußerten Bedenken werden durch das Gutachten vollends bestätigt. MdB Alexander Neu wird deutlich:

Zitat: „Aus dem mir nun vorliegenden Gutachten geht in seltener Deutlichkeit hervor, wie verantwortungslos der Bau einer solchen Anlage in der Nähe von Wohngebieten wäre"

Quellen:

https://www.bundestag.de/resource/blob/711186/f18d968cbb3c946900976ce93516ba5e/WD-8-045-20-pdf-data.pdf

https://neu-alexander.de/2020/09/gutachten-zu-ethylenoxidproduktion-in-niederkassel/

 

3. EPA Studie, USA

Die United States Environmental Protection Agency (EPA) führte eine 10-Jahres-Studie über die potenziellen Gefahren durch, die mit Ethylenoxid verbunden sind. Bis 2016 hatte die EPA festgestellt, dass Ethylenoxid weitaus gefährlicher ist, als Wissenschaftler das bis dahin angenommen hatten. Basierend auf diesem Ergebnis hat die EPA 2016 Ethylenoxid von einer Liste von Chemikalien, die wahrscheinlich Krebs verursachen könnten, zu einer Liste von Chemikalien verschoben, die definitiv Krebs verursacht haben. Ein weiteres Ergebnis war, dass EO 30-mal häufiger als bisher von Wissenschaftlern angenommen, das Auftreten bestimmter Krebsarten (Lymphom und Brustkrebs) verursacht.

Diese Ergebnisse verwendete die EPA zwei Jahre später für einen regelmäßigen Bericht, in dem die Gesundheitsrisiken durch die Freisetzung von Toxinen in der Luft in den USA bewertet werden. Der Bericht mit dem Namen National Air Toxics Assessment (NATA) hatte 109 Landstriche markiert, in denen das Krebsrisiko aufgrund der Exposition von Giftstoffen aus der Luft erhöht war. Die meisten Risiken standen in Zusammenhang mit Ethylenoxid. Diese nunmehr öffentlichen Informationen können zudem die Immobilienwerte in den betroffenen Gebieten ernsthaft beeinträchtigen.

Auch bei uns in Europa ist bekannt, dass „bei Stoffen, die als gentoxische Kanzerogene oder Mutagene wirken, …, auch bei geringster Exposition nach heutigem Kenntnisstand noch ein Krebsrisiko verbleibt.“ (J. Pringer, Gefahrstoffe-Reinhaltung der Luft). Daher sollten die Erkenntnisse der EPA-Studie Beachtung finden und die hier gültigen Grenzwerte im Sinne des Vorsorgeprinzips bearbeitet werden, was besagt, dass Maßnahmen zur Vermeidung von Schadstoffen schon dann ergriffen werden sollen, wenn triftige Gründe zur Besorgnis vorliegen und nicht erst abgewartet wird, bis wissenschaftliche Belege vorhanden oder die Auswirkungen messbar sind. Hierbei  geben wir zu Bedenken, dass Kinder noch viel empfindlicher reagieren und das Risiko, zu erkranken, höher als bei Erwachsenen ist.

Die Höhe der Ethylenoxid-Konzentration in der Luft rund um den geplanten Standort Lülsdorf konnte uns in einem Gespräch mit PCC/Evonik Mitte Juni nicht beantwortet  werden. Man vereinbarte aber einen Austausch über diese EPA-Studie.

Quellen:

 

4. Auszug aus einem Brief an die Bürgerinitiative von Dr. med. Jürgen Meichsner, Troisdorf (Facharzt für Innere Medizin, Spezielle Intern. Intensivmedizin, Notfallmedizin)

.......noch einmal die Informationen zur Lage des Katastrophenschutzes im Rhein Sieg Kreis (RSK) im Schadensfall: 
Auf dem Gelände des DRK sind die Einsatzleitwagen des Rettungsdienstes sowie die Abrollcontainer des Katastrophenschutzes des RSK stationiert. Bei einem GAU wäre der Rettungsdienst des RSK seiner Möglichkeiten zur Bewältigung eine MANV (Massenanfall von Verletzten) erheblich beraubt und zusätzlich auf überörtliche Hilfe angewiesen. Diese ist aber auch nicht in der Lage mehrere hundert, wenn nicht tausende Patienten zu versorgen. Zu den akuten und chronischen Gefahren des Ethylenoxid (EO) will ich hier nicht weiter Stellung nehmen, da mittlerweile hinreichend bekannt.

Noch einmal zum Aspekt der Stromversorgung etwas äußerst Interessantes: Die Trafostation direkt neben dem Evonik-Gelände versorgt ganz! Niederkassel mit Strom. Diese Station ist nicht redundant gesichert! D.h. bei einer Explosion mit Zerstörung der Trafoanlage fällt in ganz Niederkassel der Strom aus und kann nicht von anderen Gemeinden zugeschaltet werden. Es müssten erst entsprechende Leitungen von den Stadtwerken aus Köln, Bonn und Troisdorf gelegt werden. Zeitaufwand bis zu drei Wochen nach vertraulicher Auskunft der Rhenag!

Ein weiteres Problem dann: Ebenso fällt die komplette Wasserversorgung der Stadt aus, da wir ein pumpengetriebenes Leitungssystem ohne Hochbehälter haben (ein solches Szenario hatten wir vor einigen Monaten schon einmal, Gottseidank nur für kurze Zeit bei einer Kabelstörung). Die Probleme, die wir dann mit Löschwasser hätten, kann sich jeder ausmalen, zumal die Löschwasserentnahme aus dem Rhein durch die vorhandene Pumpleistung der mobilen Feuerwehrpumpen beschränkt ist. Dabei ist natürlich auch zu beachten, dass die Werksfeuerwehr sowie die Feuerwehren Lülsdorf und Ranzel nicht mehr existieren dürften...........

 

5. Stellungnahme Götz Reinhard Lederer, Sprecher BUND Landesarbeitskreis Technischer Umweltschutz zu PCC/Tarragona

......für Ihre Homepage http://www.eo-nein-danke.de/, die ich sehr ansprechend finde.

In Tarragona hat die Explosion eines Behälters von 20 t Tonnen Ethylenoxid ausgereicht, im Umkreis von mehreren Kilometern Metallteile wie Projektile überall hin zu schleudern. Der fast tonnenschwere Tankdeckel schaffte es auf 2,5 km Flugweite, bis er mit verheerenden Folgen in ein Wohnhaus einschlug.

Das Argument, es handele sich um eine veraltete Anlage zieht nicht. Die Anlage bei Tarragona ist seit 2017 in Betrieb und damit sicher auf dem Stand der Technik.

In Lülsdorf sollen nun 180.000 Tonnen Ethylenoxid im Jahr erzeugt werden. Jeden Tag 500 Tonnen Ethylenoxid oder 25 Behälter mit 20 Tonnen! Der größte Teil der Produktion wird dann in der Anlage verarbeitet. Die Gefahr lauert auch in der Verarbeitung! Der direkte Abtransport von über 100 Tonnen täglich ist dabei noch nicht mal berücksichtigt.

Wer will so ein Risiko mitten in bewohntem Gebiet eingehen?  

Mit freundlichen Grüßen
Götz–Reinhardt Lederer 
Sprecher BUND Landesarbeitskreis Technischer Umweltschutz          

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